Gehirn-Gesundheit,  Genetik

 
Genetik und Gehirngesundheit


Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Genen:
Normale Gene sind diejenigen, die für die Funktion und Entwicklung des Organismus verantwortlich sind. Sie kodieren für bestimmte Proteine. Es gibt etwa 21000 von ihnen. Sie kommen in der gesamten Bevölkerung vor und tragen zur normalen physiologischen Aktivität bei. Mutationen in diesen Genen werden mit unheilbaren, meist tödlichen Krankheiten in Verbindung gebracht.
Risikogene und so genannte SNPs (Single Nucleotide Polymorphisms) sind dagegen Genvarianten, die das Risiko für bestimmte Krankheiten erhöhen können. Es sind 4-5 Millionen SNPs bekannt. Die epigenetische Regulation von Risikogenen beeinflusst auch deren Funktion, siehe auch Epigenetik und Hirngesundheit.
Risikogene sind wichtig für die Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten, da sie auf individuelle Anfälligkeiten hinweisen können. Das Risikogen kann mit einer geladenen Pistole verglichen werden. Der Lebensstil entscheidet, ob die Waffe losgeht und Schaden anrichtet.


Im Folgenden wird nur von Risikogenen gesprochen.
Alzheimer
Das wichtigste und bekannteste Risikogen für die Alzheimer-Krankheit ist das ApoE4-Gen. Es trägt den Bauplan für das Eiweiß Apolipoprotein E, kurz ApoE4. Das Gen kann von einem oder beiden Elternteilen an die Kinder weitergegeben werden. Etwa 25 Prozent der Menschen tragen eine Kopie von ApoE4, etwa zwei Prozent tragen zwei Kopien davon. Bei Menschen mit einer Kopie des ApoE4-Gens ist das Risiko, an Demenz zu erkranken, um das Dreifache erhöht, bei zwei Kopien ist das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, etwa zehnmal höher als bei Menschen mit anderen ApoE-Varianten. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass auch eine doppelte Vererbung nicht zwangsläufig zu einer Erkrankung führt. Entscheidend ist die Lebensweise. Von den Menschen, die an Alzheimer erkranken, tragen etwa 40 bis 60 Prozent eine doppelte Kopie von ApoE4.
Warum ApoE4 das Alzheimer-Risiko erhöht und damit so gefährlich für das Gehirn ist, ist derzeit eine der zentralen Fragen der Alzheimer-Forschung. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass ApoE4 den Fettstoffwechsel im Gehirn stört und die Widerstandsfähigkeit der Nervenzellen beeinträchtigt. Dies kann im Alter zu einem schnelleren Absterben der Zellen und damit zu einem erhöhten Alzheimer-Risiko führen.
Insgesamt sind etwa 40 Genvarianten bekannt, die das Alzheimer-Risiko erhöhen.
Parkinson
Derzeit sind zwei Gene bekannt, die für autosomal-dominant vererbte Varianten der Parkinson-Krankheit verantwortlich sind: LRRK2 (Leucine-Rich Repeat Kinase 2) und SNCA (α-Synuclein). Mutationen im LRRK2-Gen stellen die häufigste Form der dominant vererbten Parkinson-Erkrankung dar und lassen sich in etwa 10% der familiären Fälle nachweisen. Es gibt jedoch auch eine Vielzahl von Genen, die für atypische Formen der Parkinson-Krankheit verantwortlich sein können. Die Forschung auf diesem Gebiet wird fortgesetzt, um die genetischen Grundlagen dieser Krankheit besser zu verstehen.
Multiple Sklerose
Es gibt kein bekanntes MS-Risikogen oder eine Reihe von Genen, die garantieren, dass man an MS erkrankt. Eine familiäre Belastung mit MS erhöht jedoch das Risiko, an MS zu erkranken. So liegt die Häufigkeit von MS in der Allgemeinbevölkerung bei etwa 1:1.000. Wenn jedoch ein Elternteil an MS erkrankt ist, steigt das Risiko auf 1:50, und wenn beide Elternteile an MS erkrankt sind, steigt das Risiko weiter auf etwa 1:8. Andere mögliche familiäre Situationen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, an MS zu erkranken, umso höher ist, je enger die Verwandtschaft zu einer Person mit MS ist:
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine unheilbare, schwere Erkrankung des Nervensystems, bei der vor allem motorische Nervenzellen (Motoneuronen) geschädigt werden - also Nervenzellen, die für die Kontrolle und Steuerung von Muskeln und Bewegungen verantwortlich sind1. Es wurden mehrere Risikogene identifiziert, die zu ALS führen können: Alsin (ALS2); Syntaxin (ALS4); VAPB; TDP43; FUS; Optineurin.
Psychische Erkrankungen
Bei der Entstehung psychischer Störungen spielt die Genetik eine wichtige Rolle. Forscherinnen und Forscher arbeiten intensiv daran, die biologischen und genetische Mechanismen hinter diesen Erkrankungen zu verstehen. Hier einige Erkenntnisse:
Das genetische Risiko für psychotische Störungen wie Schizophrenie und neurologische Entwicklungsstörungen wie Autismus liegt bei bis zu 85 Prozent.
 11700 genetische Risikovarianten können 90 Prozent der Erblichkeit von Depressionen erklären. Damit ist die Depression eine der komplexesten polygenetischen psychischen Störung.
Experten schätzen, dass 60 bis 85 Prozent der bipolaren Störung erblich bedingt sind. Hunderte von Genen könnten beteiligt sein, von denen bisher nur ein kleiner Teil bekannt ist.

 

Die Bestimmung von Risikogenen durch DNA-Analyse und deren Interpretation in Bezug auf das Erkrankungsrisiko steckt noch in den Kinderschuhen. Die Befunde können nur durch eine/n ausgebildete/n Lebensstilmediziner/in interpretiert werden. Vor Interpretationen und Empfehlunngen von Gen-Laboratorien auf Grund der Gen-Analyse wird ausdrücklich gewarnt.