Gehirn-Gesundheit und Genetik

Es gibt grundsätzliche 2 Arten von Genen.

Normale Gene sind diejenigen, die für die allgemeine Funktion und Entwicklung des Organismus verantwortlich sind. Sie sind in der gesamten Bevölkerung vorhanden und tragen zur normalen physiologischen Aktivität bei. Diese Gene sind nicht spezifisch mit bestimmten Krankheiten oder Gesundheitsrisiken verbunden.

Risikogene hingegen sind Varianten von Genen, die das Risiko für bestimmte Krankheiten oder Zustände erhöhen können. Diese Varianten können Mutationen oder genetische Variationen sein, die mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Erkrankungen in Verbindung stehen. Risikogene sind nicht unbedingt pathologisch, aber sie können die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass jemand eine bestimmte Krankheit entwickelt.

Risikogene sind wichtig für die Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten, da sie auf individuelle Anfälligkeiten hinweisen können.

Fünf Risikogene sind speziell wichtig für die Gesundheit.

1. APOE

APOE (Apolipoprotein E) ist entscheidend für den Lipidtransport und die Reparatur von Neuronen. Es hilft bei der Entfernung von Amyloid-Plaques, die bei Alzheimer eine Rolle spielen. Eine Dysfunktion dieses Gens kann zu einer Ansammlung schädlicher Proteine im Gehirn führen.

Es gibt drei Hauptvarianten (APOE2, APOE3, APOE4), wobei APOE4 mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Alzheimer assoziiert ist (siehe unten)

2. BDNF

BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) st ein Wachstumsfaktor, der das Überleben, das Wachstum und die Differenzierung von Neuronen fördert. Es spielt eine Schlüsselrolle bei der Synapsenbildung und der Plastizität des Gehirns. BDNF ist wichtig für Lernen, Gedächtnis und die Reparatur von geschädigtem Gehirngewebe. Ein Mangel an BDNF wird mit Depressionen, Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung gebracht.

3. COMT

COMT (Catechol-O-Methyltransferase) ist ein Enzym, das Neurotransmitter wie Dopamin und Noradrenalin abbaut. Es reguliert die Dopaminspiegel im präfrontalen Kortex, einem Bereich, der für kognitive Funktionen wie Entscheidungsfindung und Gedächtnis verantwortlich ist. Varianten des COMT-Gens können die kognitive Leistungsfähigkeit und die Anfälligkeit für psychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie beeinflussen.

4. MAO

Das MAO-Gen (Monoaminooxidase) spielt eine wichtige Rolle für die Gesundheit des Gehirns, da es für die Produktion des Enzyms Monoaminooxidase verantwortlich ist. Dieses Enzym ist entscheidend für den Abbau von Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin, die für die Regulierung von Stimmung, Emotionen und kognitiven Funktionen wichtig sind.

Es gibt zwei Haupttypen des MAO-Gens: MAOA und MAOB. Beide haben unterschiedliche Funktionen:

·       MAOA: Dieses Gen ist hauptsächlich für den Abbau von Serotonin und Noradrenalin verantwortlich. Eine weniger aktive Variante des MAOA-Gens wurde mit einem erhöhten Risiko für aggressives Verhalten und bestimmte psychische Störungen in Verbindung gebracht.

·       MAOB: Dieses Gen baut hauptsächlich Dopamin ab und spielt eine Rolle bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson.

Eine verringerte Aktivität des MAOA-Gens zu einem Überschuss an Serotonin und Noradrenalin führen, was das Risiko für aggressives Verhalten erhöhen kann.

5. MTHFR

Das MTHFR-Gen (Methylen-Tetrahydrofolat-Reduktase) spielt eine entscheidende Rolle für die Gesundheit des Gehirns, da es für die Produktion des Enzyms MTHFR verantwortlich ist. Dieses Enzym ist wichtig für den Stoffwechsel von Folat (Vitamin B9) und die Methylierung, einen Prozess, der zahlreiche Funktionen im Körper beeinflusst, einschließlich der Gehirnfunktion.

Hier sind einige wichtige Aspekte der Rolle des MTHFR-Gens für die Gehirngesundheit:

1.     Folatstoffwechsel: Das MTHFR-Enzym wandelt Folat in seine aktive Form, 5-Methyltetrahydrofolat (5-MTHF), um. 5-MTHF ist notwendig für die Produktion von Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin, die für die Regulierung von Stimmung, Emotionen und kognitiven Funktionen wichtig sind2.

2.     Homocysteinspiegel: Das MTHFR-Gen spielt eine Rolle bei der Umwandlung von Homocystein in Methionin. Ein Mangel an MTHFR-Enzymaktivität kann zu erhöhten Homocysteinspiegeln führen, was mit einem erhöhten Risiko für neurodegenerative Erkrankungen und kognitive Beeinträchtigungen verbunden ist.

Alzheimer

Das wichtigste und bekannteste Risiko-Gen für die Alzheimer-Krankheit ist das ApoE4-Gen. Es trägt den Bauplan für das Protein Apolipoprotein E, kurz ApoE4. Dieses Gen kann von einem oder beiden Elternteilen an die Kinder weitergegeben werden. Etwa 25 Prozent der Menschen sind Träger einer Kopie von ApoE4, während etwa zwei Prozent Träger von zwei Kopien sind. Bei doppelter Vererbung ist das Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung etwa zehnmal höher als bei Menschen mit anderen ApoE-Varianten. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass eine doppelte Vererbung nicht zwangsläufig zu einer Erkrankung führt. Unter den an Alzheimer-Demenz erkrankten Menschen sind etwa 60 Prozent Träger einer doppelten ApoE4-Kopie1.

Parkinson

Es gibt  zwei wichtigste Gene, die für autosomal dominant vererbte Varianten der Parkinson-Erkrankung verantwortlich sind: LRRK2 (Leucine-Rich Repeat Kinase 2) und SNCA (α-Synuklein). Mutationen im LRRK2-Gen stellen die häufigste Form der dominant vererbten Parkinson-Erkrankung dar und lassen sich in etwa 10% der familiären Fälle nachweisen. Es gibt jedoch auch eine Vielzahl von Genen, die für atypische Formen der Parkinson-Erkrankung verantwortlich sein können. Die Forschung auf diesem Gebiet ist weiterhin im Gange, um ein besseres Verständnis der genetischen Grundlagen dieser Erkrankung zu erlangen. Weitere Risikogenene sind PARK2, PINK1 und GBA. Bei familiären Formen von Parkinson spielen Gene wie SNCA, LRRK2, PARK2, PINK1 und GBA eine wichtige Rolle. Bei sporadischen Fällen (die meisten Parkinson-Fälle) tragen sowohl genetische als auch Umweltfaktoren (z. B. Pestizide, Kopfverletzungen, Alterung) zum Risiko bei. Die Genetik der Parkinson-Krankheit ist komplex, und das Vorhandensein eines Risikogens bedeutet nicht zwangsläufig, dass man erkranken wird.

Multiple Sklerose

Eines der wichtigsten Risikogene für MS befindet sich im HLA-Komplex (Humanes Leukozyten-Antigen-System), insbesondere das HLA-DRB1*15:01-Allel. Dieses Gen ist stark mit einem erhöhten MS-Risiko assoziiert.

Darüber hinaus wurden durch genomweite Assoziationsstudien (GWAS) über 200 weitere Gene identifiziert, die mit einem leicht erhöhten MS-Risiko in Verbindung stehen. Diese Gene sind oft an der Regulation des Immunsystems beteiligt.

Eine familiäre Vorbelastung mit MS erhöht das Risiko für die Krankheit. So liegt die Häufigkeit von MS in der Allgemeinbevölkerung bei etwa 1 zu 1.000. Wenn jedoch ein Elternteil an MS erkrankt ist, erhöht sich das Risiko auf 1:50. Und wenn beide Elternteile an MS erkrankt sind, steigt das Risiko weiter auf etwa 1 zu 8. Andere mögliche familiäre Situationen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, an MS zu erkranken, umso höher ist, je enger die Verwandtschaft zu einer Person mit MS ist:

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine unheilbare, schwere Erkrankung des Nervensystems, bei der vor allem motorische Nervenzellen (Motoneuronen) geschädigt werden – also Nervenzellen, die für die Kontrolle und Steuerung von Muskeln und Bewegungen zuständig sind1. Es gibt mehrere identifizierte Risikogene, die zu ALS führen können: Alsin (ALS2); Syntaxin (ALS4);VAPB;TDP43;FUS;Optineurin.

Psychische Erkrankungen

Die Genetik spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung psychischer Störungen. Forscherinnen und Forscher haben intensiv daran gearbeitet, die biologischen Mechanismen hinter diesen Erkrankungen zu verstehen. Hier sind einige Erkenntnisse:

Das genetische Risiko für Psychose-Spektrum-Störungen wie Schizophrenie und neurologische Entwicklungsstörungen wie Autismus liegt bei bis zu 85 %.

11.700 genetische Risikovarianten können 90 Prozent der Vererbbarkeit von Depressionen erklären . Das macht Depressionen zu einer der komplexesten und polygensten psychischen Störungen.

Experten schätzen, dass 60 bis 85 Prozent der bipolaren Störung auf Erbanlagen zurückzuführen sind. Hunderte von Genen könnten beteiligt sein, aber bisher kennt man nur einen kleinen Teil davon.

Umweltfaktoren interagieren mit der genetischen Veranlagung um das Erkrankungsrisiko von psychischen zu beeinflussen.