Was ist Stress und wie entsteht er?
Stress ist negativ und man nennt ihn auch Distress. Dies im Gegensatz zum positiven Eustress, der sich positiv auf die Hirn-Gesundheit auswirkt. Stress ist nicht ein Ereignis als solches, sondern unsere subjektive Interpretation und Bewertung desselben. Das Gleichgewicht zwischen Anforderungen und Kompetenzen eines Individuums spielt dabei eine zentrale Rolle. Ist die Balance zwischen inneren und äusseren Anforderungen und den zur Verfügung stehenden Ressourcen ausgeglichen, empfinden wir keinen Stress. Wenn die Anforderungen jedoch schwerer wiegen als die Ressourcen, die wir dem Ereignis entgegenhalten können, stimmt die Balance nicht. Als natürliche Konsequenz unseres Körpers resultiert Stress. Stress ist ein höchst subjektives Empfinden. Es gibt kein allgemeingültiges Mass dafür, was als Stress gilt und was nicht.
Langdauernder, unkontrollierter Stress ist ein verursachender Faktor von allen chronischen Erkrankungen, und auch von allen neurodegenerativen Erkrankungen. Er versetzt den Körper in eine autonome Übersteuerung und erhöht in der Folge das Cortisol, ein steroidales Stresshormon, das von der Nebenniere produziert wird. Der Zweck des Cortisols besteht darin, den Körper inmitten von Stress mit Energie zu versorgen. Der Blutzuckerspiegel steigt als Reaktion darauf sprunghaft an. Höhere Blutzuckerspiegel helfen uns zwar, unmittelbare Bedrohungen zu bekämpfen, verursachen aber auch beträchtliche Langzeitschäden wie Angstzustände und Depressionen, Verdauungsprobleme, Schlafstörungen und eine geschwächte Immunfunktion, was uns dann anfälliger für Infektionen und Krebs macht. Chronisch erhöhtes Cortisol kann auch zu Insulinresistenz führen. Das Gehirn ist für diese stressbedingten Veränderungen besonders anfällig. Erhöhtes Cortisol hat in mehreren Studien gezeigt, dass es das Risiko erhöht, an Alzheimer zu erkranken. Cortisol wurde auch mit einer Schrumpfung des Hippocampus, das Zentrum für das Kurzzeit-Gedächnis, in Verbindung gebracht. Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass unkontrollierter Stress und hohe Cortisolspiegel sogar die Art und Weise verändern können, wie unsere Gene aktiviert und deaktiviert werden.
Zu den vielen negativen Auswirkungen von unkontrolliertem Stress gehören:
Angstzustände und Depressionen: Unkontrollierter Stress scheint die Produktion von Serotonin und anderen wichtigen Neurotransmittern zu hemmen und beeinträchtigt auch synaptische Verbindungen, die bei der Bewältigung von Stresssituationen helfen. Als Folge davon erleben wir vermehrt Angstzustände und Depressionen, beides bedeutende Risikofaktoren für die Alzheimer-Krankheit.
Beeinträchtigte Immunfunktion: Unkontrollierter Stress beeinträchtigt die Signalgebung der Immunzellen und senkt auch den Spiegel der weißen Blutkörperchen. Der Körper ist dann weniger in der Lage, sich gegen akute Krankheiten zu wehren und braucht auch länger, um zu heilen. Für das Gehirn bedeutet dies, dass sich Stoffwechsel-Nebenprodukte bilden und mit der Zeit erhebliche Schäden verursachen.
Beeinträchtigte Aufmerksamkeit: Hohe Cortisol- und Epinephrinspiegel, die bei Stress freigesetzt werden, beeinträchtigen das Wachstum der Neuronen im Frontallappen, einer Hirnregion, die Konzentration, Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung, Urteilsvermögen und Gedächtnisbildung steuert.
Erhöhte Entzündung: Unkontrollierter Stress kann eine Kaskade chemischer Reaktionen auslösen, die Zellen und Blutgefässe stören und eine Entzündung des Nervengewebes verursachen.
Erhöhte oxidative Nebenprodukte: Reaktive oxidative Nebenprodukte, die durch unkontrollierten Stress entstehen, können Gehirnzellen und -gewebe erheblich schädigen.
Schrumpfung des Gehirns: Stress lässt das Gehirn buchstäblich schrumpfen. Anhaltender Stress kann die Produktion neuer Zellstrukturen stören und voll ausgebildete Zellen im Hippocampus zerstören, selbst nach nur einem einzigen Stressereignis. Eine von Forschern der McGill-Universität in Kanada durchgeführte Studie ergab, dass ältere Probanden mit erhöhtem Cortisolspiegel im Durchschnitt eine 14-prozentige Verringerung des Hippocampusvolumens und eine Beeinträchtigung des hippocampusabhängigen Gedächtnisses aufwiesen. Wenn der Hippocampus durch Cortisol geschädigt wird, hat er Mühe, das Stresssystem des Körpers zu regulieren. Dies führt zur Ausschüttung von noch mehr Cortisol, ein Teufelskreis, der wiederum mehr Zellen schädigt.
Erhöhtes Beta-Amyloid (Hirn-Plaque): Es gibt einige Hinweise darauf, dass eine bestimmte stressbedingte chemische Reaktion - die Freisetzung des Corticotropin-freisetzenden Faktors (CRF) - zur Bildung von Amyloid beitragen kann. Eine Studie fand heraus, dass ein erhöhter CRF im Gehirn die Amyloidkonzentration zu erhöhen scheint. Das Beta-Amyloid ist die Hirnplaque die mit Alzheimer Erkrankung verbunden ist.
Genaktivierung und Funktion: Unkontrollierter Stress verändert unsere Gene und ihre Expression. Stress vermindert nachweislich das Wachstum neuer Zellen und beeinträchtigt die Neuroplastizität (die Fähigkeit der neuronalen Schaltkreise, sich anzupassen und zu überleben). Eine Studie fand heraus, dass Veränderungen in der Genexpression zu einem veränderten Niveau des hirnabgeleiteten neurotrophen Faktors (BDNF) führen: Stress senkt das Niveau des BDNF und hemmt dadurch das Wachstum neuer Neuronen und Verbindungen, während Bewegung, eine stressreduzierende Aktivität, das Niveau des BDNF anscheinend erhöht.
Gewichtszunahme: Unkontrollierter Stress wurde immer wieder mit Gewichtszunahme in Verbindung gebracht, von der wir wissen, dass sie ein Risikofaktor für Herzkrankheiten, Krebs und Demenz ist.
Erhöhte Herzfrequenz und erhöhter Blutdruck: Die Stresshormone Cortisol und Epinephrin verursachen eine erhöhte Herzfrequenz und einen erhöhten Blutdruck, beides vaskuläre Risikofaktoren, die den kognitiven Abbau fördern.
Störung gesunder Lebensgewohnheiten: Wenn wir erheblichen Stress erfahren, sind wir weniger in der Lage, unsere Emotionen zu verarbeiten oder auf Bewältigungsmechanismen zuzugreifen. Infolgedessen werden wir schnell erschöpft, überfordert und unfähig, gesunde Verhaltensweisen aufrechtzuerhalten: Unser Schlaf ist gestört, wir neigen dazu, uns nach zuckerhaltigen, fetthaltigen Nahrungsmitteln zu sehnen, und Müdigkeit hindert uns daran, uns zu bewegen.
Stress vermeiden durch gesunden Lebensstil
Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR): Konzentration auf körperliche Empfindungen, um die Entspannung zu erhöhen; reduziert nachweislich Angst und Depression
Metta-Meditation: Fokus auf liebende Güte gegenüber sich selbst und anderen
Vipassana-Meditation: Fokus auf Atmung, Gedanken und Empfindungen mit dem Ziel, Einsicht zu kultivieren
Zen-Meditation: Augen auf, Konzentration auf die Atmung und das Erleben von Gedanken und Empfindungen
Kirtan Kriya: eine zwölfminütige Yogameditation mit dem Singen von Kundalini Yoga: Schwerpunkt auf Haltungen und Atemtechniken, um Energie zu wecken
Qigong: Fokus auf langsame Körperbewegungen und Atemtechniken, um 'Lebensenergie' freizusetzen
Transzendentale Meditation (TM): Verwendung von wiederholten Tönen zur Fokussierung der Aufmerksamkeit
Yoga: Obwohl die Forschung über Yoga und Kognition gemischt ist, haben einige wenige Studien einige vielversprechende Aspekte dieser meditativen Praxis aufgedeckt. Eine in Indien durchgeführte Studie ergab, dass die Teilnehmer nach einem dreimonatigen Yogaprogramm signifikant niedrigere Kortisolspiegel aufwiesen
Es gibt keine einzige Technik, die sich als überlegen erwiesen hat, und Menschen können auf verschiedene Stile unterschiedlich reagieren. Wenn Sie gerade erst anfangen, empfehlen wir Ihnen, einfaches Atmen auszuprobieren, siehe weiter unten. Die beste Technik für Sie ist eine, die Sie interessiert und Ihnen ein Gefühl der Ruhe vermittelt.
Bewusstes Atmen: halten Sie Ihre Tätigkeit immer wieder an um einige Minuten bewusst zu atmen. Das bringt sofortige Entspannung. Atemübungen eignen sich ebenfalls hervorragend zur Entspannung. Wenn du dich in einer stressigen Situation befindest, wird die Atmung flach. Wenn du lernst deine Atmung zu beeinflussen, kannst du auch dein Stresslevel beeinflussen.
Progressive Muskelentspannung: ist eine der bekanntesten Entspannungstechniken. Sie wurde von dem amerikanischen Mediziner Edmund Jacobsen entwickelt und basiert auf der abwechselnden An- und Entspannung einzelner Muskelpartien.
Autogenes Training: geht aus der Selbsthypnose hervor und arbeitet mit sogenannten autosuggestiven Formeln.
Bio-feedback: bestimmte Körperfunktionen, welche vegetativ und unbewusst reguliert werden, werden beeinflusst
Vagus Nerv Stimulation: Durch Übungen zur Stimulation des Vagus Nervs wird das parasympatische vegetative Nervensystem aktiviert. Das bringt Entspannung.
Schlussfolgerung
Stressmanagement ist ein kritischer und oft missverstandener Aspekt eines hirngesunden Lebensstils. Gesunder Stress (Eustress) ist kontrolliert und nützlich, um langfristige Ziele zu erreichen und die Herausforderungen des modernen Lebens zu meistern. Unkontrollierter Stress setzt eine Hormonkaskade in Gang, die das Gehirn auf vielen Ebenen belastet. Er verändert sogar die Struktur des Gehirns, zerstört Zellen und verringert sein Volumen. Wenn wir Meditation in unsere tägliche Routine aufnehmen und weise handeln, können wir die Auswirkungen von
unkontrolliertem Stress dramatisch reduzieren und sogar wichtige Aufmerksamkeitszentren im Gehirn erweitern. Wie alle Faktoren des Lebensstils in diesem Buch sollte auch das Entspannen auf die eigenen Interessen und Stärken zugeschnitten sein. Es gibt verschiedene Entspannungstechniken: Meditation, bewusstes Atmen, Sitzen, Singen, Spazierengehen in der Nachbarschaft, Leben in einem aufgeräumten Raum usw. Welche Methode Sie auch immer wählen, sie sollte einfach, bequem und vor allem entspannend sein.
Übersetzung und Adaptation aus den folgenden Quellen: Stefan Bogdanov